Inhalt des Artikels:

  • Interesse am Job oder am Stempel für die Agentur für Arbeit?
  • Experte: Gesetze lassen bereits schärfere Sanktionen beim Bürgergeld zu
  • Verwaltung der Jobcenter immer teurer, Handlungsfähigkeit begrenzter

Interesse am Job oder am Stempel für die Agentur für Arbeit?

1,9 Millionen arbeitslose erwerbsfähige Bürgergeld-Empfänger und Bürgergeld-Empfängerinnen gibt es derzeit in Deutschland. Das Versandhaus "Ondis 24" in Dippoldiswalde sucht dringend ungelernte Arbeitskräfte für die Verpackung ihrer Gartenbedarfartikel im Lager. Eine besondere Qualifikation ist laut Geschäftsführer Kenneth Markert nicht erforderlich. "Wir können auch Leute gebrauchen, die einfach fleißig sind, die arbeiten wollen und Lust auf etwas Neues haben", sagt er gegenüber dem MDR Magazin Umschau.

Ungelernte bekämen zwar als Einstiegsgehalt nur Mindestlohn, doch schon nach erfolgreicher Probezeit würde dieser steigen. Auch die Arbeitszeiten seien im Vergleich zum Handel allgemein attraktiv, da es nur eine Tagschicht gibt. Trotzdem kämen kaum Bewerber vom Jobcenter. Und wenn, seien die Bürgergeld-Empfänger wenig motiviert. "Wir sitzen teilweise Leuten gegenüber, die nehmen uns eine oder zwei Stunden Zeit für einen Firmenrundgang und eine Vorstellung. Die sagen dann, dass alles passt. Aber du hörst nie wieder etwas von ihnen", erklärt Markert. Deswegen werde zu Beginn des Vorstellungsgespräches gleich gefragt, ob ein ernsthaftes Interesse am Job bestehe oder am Stempel als Aktivitätennachweis für die Agentur für Arbeit. "Dann trennt sich schon die Spreu vom Weizen", so der Geschäftsführer des Online-Gartencenters.

Experte: Gesetze lassen bereits schärfere Sanktionen beim Bürgergeld zu

In ihren Koalitionsverhandlungen diskutieren Union und SPD auch über Pläne, das Bürgergeld zu reformieren. Laut Sondierungspapier soll der Name geändert werden in Grundsicherung für Arbeitssuchende. Außerdem soll ein sogenannter Vermittlungsvorrang gelten, das heißt, wer arbeiten kann, soll auch arbeiten. Auch strengere Sanktionen sind vorgesehen.

Dabei gäbe es bereits Gesetze, auf deren Grundlage das aktuell schon möglich wäre, sagt Roman Wink von der Bertelsmann Stiftung. Es hapere an der Umsetzung, nicht an den bereits bestehenden Möglichkeiten: "Bis es überhaupt zur Sanktion kommt, ist es ein langer Weg. Teilweise gibt es drei Aufforderungen mit Briefen zu Terminen zu erscheinen oder ein Jobangebot anzunehmen. Das heißt, es gehen Wochen bis Monate ins Land, bis eine erste Sanktion ausgesprochen wird und das verpufft dann natürlich. Wir brauchen eigentlich frühzeitige konsequente Sanktionen", sagt er. Für den Arbeitsmarktexperten sei es effektiver, frühzeitig, dafür moderat mit maximal 30 Prozent zu sanktionieren. Einen kompletten Leistungsentzug, wie ihn das aktuelle Sondierungspapier vorsieht, hält er für wenig motivierend und auch verfassungsrechtlich schwer umsetzbar.

Verwaltung der Jobcenter immer teurer, Handlungsfähigkeit begrenzter

Roman Wink ist Autor der Studie der Bertelsmann Stiftung "Bürgergeld: Anspruch, Realität, Zukunft". Darin wird auch beleuchtet, wie die Jobcenter ihre Mittel einsetzen. Wie viel davon in die Verwaltung fließt oder für Arbeitsförderung aufgewendet wird, sei ihnen bislang frei überlassen. Schaut man sich an, wie die Kosten bei beiden Posten gestiegen sind, ist nach Studie ein Ungleichgewicht zu verzeichnen. "In den vergangenen zehn Jahren sind die Kosten für die Verwaltung um 39 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro gestiegen, während die Mittel zur Förderung von Leistungsbezieher und Leistungsbezieherinnen bei rund 3,8 Milliarden Euro verharren. Einige Jobcenter verschieben bis zu 70 Prozent dieser Gelder in die Verwaltung", heißt es da. Der Anteil derer, die durch die Jobcenter vermittelt wurden, sei dabei in den letzten Jahren stark gesunken. Vor zehn Jahren habe die Quote bei knapp 14 Prozent gelegen, 2023 nur noch bei 5,5 Prozent.

Auf eines weist die Bertelsmann-Studie aber auch hin: Von den deutschlandweit 1,9 Millionen arbeitslosen erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfängern ist die Hälfte langzeitarbeitslos. Und das hat persönliche Folgen die die Betroffenen. "Langzeitarbeitslosigkeit macht mürbe. Je länger man aus dem Arbeitsmarkt raus ist, desto schwieriger ist der Wiedereinstieg. Deswegen sprechen wir auch viel über individuelle Förderung, über Unterstützung", sagt Roman Wink. Wer lange raus ist aus dem Arbeitsalltag, sollte durch Trainings wieder fit gemacht werden können. Doch hierfür war laut Studie immer weniger Geld da.

MDR (cbr)

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