Der FC Bayern krampft zur Unzeit: Spielt Thomas Müller jetzt doch immer?
Der FC Bayern verpasst beim 2:2 gegen Dortmund einen wegweisenden Sieg auf dem Weg zur Meisterschaft. Mittelfeldchef Joshua Kimmich benennt eine Schwäche. Und Thomas Müller liefert Argumente, warum er doch immer spielen muss.
Angeblich hat der FC Bayern München an diesem Samstagabend im intensiven Fußball-Klassiker gegen Borussia Dortmund (2:2) einen Meisterschafts-Matchball vergeben. Aber war das wirklich so? Dass die Münchner einen Matchball gehabt hätten, würde ja bedeuten, dass in der Bundesliga noch ein echter Titelkampf tobt. Aber der war doch eigentlich bereits am 15. Februar abmoderiert worden, als sich die historisch harmlose Mannschaft der Bayern im Blaumann ein 0:0 bei Meister Bayer Leverkusen schnappte - und niemand so genau erklären konnte, warum.
Ein Grund war: Leverkusen nutzte die Chancen nicht. Es war zum Verzweifeln gewesen für Trainer Xabi Alonso und seine Männer, die ohne echten Stürmer aufgelaufen waren. Das ist beim FC Bayern zwar undenkbar, Harry Kane, so er denn nicht verletzt ist, spielt immer, aber dafür haben sich die Münchner die Abschlusskrise derzeit zu eigen gemacht. Einen schlechteren Zeitpunkt in der Saison hätten sie sich dafür nicht aussuchen können. 50 Torschüsse wollte Vincent Kompany seit Dienstag, seit dem 1:2 im Viertelfinal-Hinspiel gegen Inter Mailand, in der Münchner Arena gezählt haben (es waren tatsächlich "nur" 46). Herauskamen lediglich drei Tore - und kein Sieg.
Das nervt die Münchner. In vielen Momenten wirken sie gar verzweifelt, weil der Ball einfach nicht ins Tor will. Ein Protagonist in diesen Tagen: ausgerechnet Kane, der sonst so eiskalt ist. Gegen Inter hob er den Ball aus bester Lage an den Pfosten und drehte danach schockiert ab. Gegen Dortmund ließ er ebenfalls prächtige Chancen ungenutzt. Er guckte verdutzt, seine Mitspieler auch. Sportdirektor Christoph Freund wollte sich in der Fußball-Debatte Sky90 ein größeres Problem nicht einreden lassen. So sei Fußball, er glaube daran, dass sich alles ganz schnell wieder, schon am Mittwoch im legendären San Siro. Und auch Coach Kompany mochte nicht auf Krise umschalten. Er sehe die Chancen, er sehe die Qualität. Damit bleibt auch dieser Alarm still. "Das war wie ein Pokalspiel. Für so ein Spiel würde ich ein Ticket kaufen. Aber als Trainer willst du mehr Kontrolle haben", sagte Kompany über das vor allem in der zweiten Halbzeit mitreißenden und völlig offene Dortmund-Match.
"Mit Sky-Mindset war das eine vertane Chance ..."
Mit seiner Aufstellung hatte der Belgier bereits dafür gesorgt, dass keine Unruhe in das Spiel gegen die Borussia aus Dortmund hereingetragen wird. Er hatte auf den großen Druck der Öffentlichkeit reagiert und Thomas Müller auf den Rasen geschickt. Gegen Inter unter der Woche war die Vereins-Ikone erst sehr spät gekommen, hatte das Stadion aus Trägheit gerissen und den Ausgleich erzielt. Dass die Mailänder danach noch ein Tor erzielten, war in den Debatten weniger wichtig als die Müller-Frage. Wäre für den FC Bayern mehr möglich gewesen, wenn der 35-Jährige von Beginn an gespielt hätte? Nimmt man die 20 Minuten aus der Champions League und die 81 aus dem Klassiker, dann legen diese Auftritte den Verdacht nah: Ja, da wäre mehr möglich gewesen.
Thomas Müller ist immer noch Thomas Müller. Er ist kein Jamal Musiala, der zig Gegenspieler ausfummelt und dann zu einer großen Aktion kommt. Müller reichen die kleinen Momente, um Großes zu schaffen. Als sein FC Bayern unmittelbar nach der Pause und einer zuvor extrem dominant geführten ersten Hälfte durch Maximillian Beier geraten war, spielte Müller den Ball nach 65 Minuten mit einem kurzen Pass clever zu Raphael Guerreiro, Niklas Süle war damit aus dem Spiel genommen und der Ball drin, 1:1. Müller krönte seine starke Leistung, die zwar auch Makel beim Abschluss hatte, in diesem Moment. Es war eine Bewerbung für Mittwoch, für San Siro. Für ein vielleicht letztes (was heißt das schon bei Thomas Müller) Halleluja im Trikot des FC Bayern. Für ein "Müller spielt immer" - zumindest bis zum Ende dieser Saison, die ja durch die Klub-WM nochmal verlängert wird. Drei Titel möchte er noch gewinnen. Die Meisterschaft, die Klub-WM und vor allem die Champions League, im "Finale dahoam".
"Mit Sky-Mindset war das eine vertane Chance, mit Bayern-München- und Thomas-Müller-Mindset sind wir der Meisterschaft einen Schritt nähergekommen", sagte der 35-Jährige bei Sky nach dem BVB-Spiel. "Wir haben uns selbst gezeigt, dass wir viele Chancen kreieren können, die uns am Mittwoch natürlich auch weiterhelfen sollen, in die nächste Runde in der Champions League einzuziehen. Aber ich habe ja Gott sei Dank das zweitgenannte Mindset." Ein Mann, der sich ebenfalls für mehr Spielzeit in San Siro bewarb, ist Serge Gnabry. Mit einem ganz starken Solo hatte er den FC Bayern in Führung gebracht (69.) gebracht. Der Außenstürmer hatte auch in dieser Saison wieder mit Verletzungen zu kämpfen und scheint nur endlich wieder richtig fit. Was das für seine Zukunft bedeutet, ist noch unklar. Obwohl er noch einen Vertrag bis 2026 hat, gilt er als Verkaufskandidat. Weil der FC Bayern ja auch Gehälter einsparen muss und das Thema Traumtransfer von Florian Wirtz einfach nicht loswird.
Minjae-Kim lässt sich düpieren
Dass die Münchner nicht, wie sonst so oft, daheim gegen den BVB gewannen, hatten sie schwachen Momenten in der Abwehr zuzuschreiben. Beim 0:1 ließ sich Minjae-Kim düpieren. Beier rannte nach einer Flanke von Julian Ryerson einfach am Südkoreaner vorbei, der offenbar darauf gesetzt hatte, dass Torwart Jonas Urbig aus dem Kasten kommt und den Ball entschärft. So sah das ziemlich doof aus. Dabei braucht es in der arg dezimierten Mannschaft unbedingt einen Minjae-Kim in bester Form. Kompany nahm ihn schließlich runter, der Abwehrhüne war an diesem Abend nicht auf der Höhe, er hatte zuletzt mit Achillessehnenproblemen zu kämpfen. Beim 2:2 waren die Münchner als Kollektiv nicht wach genug. Serhou Guirassy schloss nach einer Ecke sehr sehenswert ab, Urig parierte, aber vor die Füße von Waldemar Anton, der mühelos einschob.
Aber bloß nicht zu lange mit diesem Spiel aufhalten. In der Bundesliga läuft weiter alles so, wie es laufen sollte. Denn auch Verfolger Bayer Leverkusen hatte am Nachmittag beim 0:0 gegen Union Berlin Punkte verschenkt. Alles guckt auf Mittwoch, auf die Champions League, auf Inter, auf San Siro. "Es ist jetzt nicht so, dass man ein Wunder braucht", sagte Mittelfeldchef Joshua Kimmich. "Wir müssen ein Spiel gewinnen und mit dem Mindset sollten wir ins Spiel gehen. Ich glaube, jeder in der Kabine ist überzeugt, dass wir in Mailand auch gewinnen können." Allerdings sei es so: "Wir müssen erwachsener werden und effektiver werden. Wir haben in den letzten Wochen schon viel liegen gelassen."
Von einem "Wunder" zu sprechen, sei angesichts des knappen Niederlage im Hinspiel "absolut blöd", befand auch Müller. "Inter Mailand ist eine sehr gute Mannschaft, die wirklich abgezockt Fußball spielt, aber trotzdem haben wir doch alle das Hinspiel gesehen. Da hatten wir doch auch die Chance, zu gewinnen. Ich sehe die Mannschaft in der Verfassung, dass wir weiterkommen können." Matchball FC Bayern.
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