Urteil nach acht Jahren: Fansozialarbeiter zu Unrecht abgehört
Inhalt des Artikels:
- Reihenweise vertrauliche Telefonate abgehört
- Sozialarbeiter wurde viel zu spät informiert
- Forderung: Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter
Vor rund zehn Jahren suchte das Landeskriminalamt Sachsen (LKA) nach einer linksextremen, kriminellen Vereinigung im Leipziger Süden. Infolgedessen wurde Sachsen von einem handfesten Skandal erschüttert. Denn LKA und Staatsanwaltschaft Dresden vermuteten 2012 diese kriminelle Vereinigung im Umfeld des Fußballvereins Chemie Leipzig. Im Zuge der Ermittlungen wurden ab 2014 nicht nur mehrere beschuldigte Personen abgehört, sondern auch mehrere Berufsgeheimnisträger wie Anwälte, Ärztinnen und Journalisten.

Reihenweise vertrauliche Telefonate abgehört
Zu den Beschuldigten des damaligen Verfahrens gehörte auch Sebastian Kirschner, ein heute 48-jähriger Sozialarbeiter des sozialpädagogischen Fanprojekts Leipzig. Sein Telefon wurde überwacht und da er Berufsgeheimnisträger ist, wurden so auch reihenweise vertrauliche Telefonate abgehört und protokolliert. Das Landgericht Dresden hat nun, knapp ein Jahrzehnt später, entschieden, dass die Überwachung seines Telefonanschlusses illegal war.
Keine Grundlage für Überwachung
Der Mitarbeiter des Fanprojektes hätte nicht überwacht werden dürfen, der Ermittlungsansatz der Behörde war rückblickend nicht tragfähig, entschied das Gericht.
MDR Investigativ konnte das Urteil einsehen. Die Richter und Richterinnen finden darin klare Worte. So habe hinsichtlich des Sozialarbeiters "keine ausreichende Grundlage für einen Verdacht der Bildung bzw. einer Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach dem damaligen Erkenntnisstand" vorgelegen.
Mehr noch stellt das Landgericht fest, dass den Ermittlungsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt ebenso bekannt war, "dass der Beschwerdeführer Mitarbeiter des 'Fanprojekts Leipzig' war, welches durch die OUTLAW gemeinnützige Gesellschaft für Kinder- und Jugendhilfe mbH getragen war und sich auf Fußball bezog."
Sozialarbeiter wurde viel zu spät informiert
Für Kirschner ist die Entscheidung eine Erleichterung. In erster Linie erster Linie freue er sich über Beschluss des Landgerichts: "Ich kann jetzt endlich einen Punkt setzen. Die Sache ist wahnsinnig lange her. Die Ermittler haben damals einen Fehler gemacht. Das hat das Gericht jetzt bestätigt. Dass das Ganze acht Jahre dauert, irritiert natürlich, aber ich würde sagen,besser spät als nie."
Ich kann jetzt endlich einen Punkt setzen. [...] Dass das Ganze acht Jahre dauert, irritiert natürlich, aber ich würde sagen,besser spät als nie.
Die Irritationen über die lange Zeitspanne hat Kirschner nicht zu Unrecht. Denn in einem weiteren Punkt kommt das Landgerichtsurteil zu dem Schluss, dass der Sozialarbeiter viel eher über die stattgefundene Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) hätte informiert werden müssen, diese sei immerhin ein schwerwiegender Eingriff in seine persönlichen Grundrechte. Das Gericht verweist in seiner Begründung auf den beruflichen Kontext, auf das Berufsgeheimnis des Mitarbeiters und das besonders sensible Arbeitsfeld, in denen sich Mitarbeitende von Fanprojekten bewegen.
Forderung: Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter
Kirschner selbst zieht aus dem Urteil Parallelen zu seiner aktuellen Arbeit, welche sich in einem "riesengroßen aktuellen Dilemma" befinde. obwohl sie "einen gesetzlichen Auftrag" verfolge: "Wir sollen in einem Arbeitsfeld was schwierig ist, was viel von Devianz und Delinquenz definiert ist, sozialpädagogisch tätig werden. Wir haben eine berufliche Schweigepflicht, ein Berufsgeheimnis und gleichzeitig haben wir keinen echten Schutz." Oft würden seine Kolleginnen und Kollegen von Ermittlungsbehörden vorgeladen, um Zeugenaussagen zu machen und bei Ermittlungen zu helfen. Sie sollen gegen ihre eigene Klientel aussagen, mit der sie tagtäglich Beziehungsarbeit machen, berichtet Kirchner und kommt zum Fazit: "Es ist ein riesengroßer Widerspruch, der uns gerade vor große Probleme stellt."
Landesarbeitsgemeinschaft sieht Erfolg der Sozialarbeit gefährdet
Dieser Widerspruch ist auch Georg Grohmann vom Landesarbeitskreis (LAK) Mobile Jugendarbeit bewusst. Er erklärt dem MDR, dass Soziale Arbeit effektiv gerade in "heißen Arbeitsfeldern" wirke. Durch die Kriminalisierung von Fachkräften wie im Fall des Leipziger Fansozialarbeiters Sebastian Kirschner sieht er den Erfolg dieser Arbeit gefährdet. Deswegen fordert er, dass sich die Überwachung der vertraulichen und professionellen Kommunikation mit der Klientel nicht wiederholen dürfe. Außerdem ist er sich sicher: "Ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit hätte hier für einen besseren Schutz des Vertrauensverhältnisses gesorgt."
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