• Bei der Bundeswehr sind Soldatinnen und Soldaten durch Einsätze in Krisengebieten oft traumatisiert.
  • Betroffene fühlen sich häufig zu wenig unterstützt, vor allem wenn sie nicht mehr im Dienst sind.
  • Wie eine Psychotherapeutin berichtet, verlieren Erkrankte häufig ihre sozialen Kontakte.

Ein älteres Ehepaar sitzt auf einer Bank. Hinter ihnen schwimmen Enten auf einem Teich, umgeben von Wald. Christore und Jobst Viehweger aus Delitzsch gehören nicht zu den Wanderern, die den schönen Apriltag für einen Ausflug nutzen. In Waldenburg bei Zwickau treffen sie sich unter anderem mit anderen Einsatzveteranen der Bundeswehr und deren Familien. Christore nahm an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teil, darunter fünf in Afghanistan. Die Erlebnisse haben sie krank gemacht.

Traumatische Afghanistan-Einsätze

Als Christore Viehweger im Gespräch mit MDR SACHSEN von Afghanistan erzählt, legt Ehemann Jobst einen Arm um sie. Denn noch immer verfolgen sie die Erlebnisse in Krisenregionen. Die heute 70-Jährige arbeitete erst für die NVA, dann für die Bundeswehr in der Verwaltung. Mit 50 ging sie erstmals nach Afghanistan. Ihre Kinder seien groß gewesen. "Ich wollte helfen", sagt sie. Am Hindukusch reiste sie beruflich herum, begleitete auch eine Bundeswehrärztin bei humanitären Einsätzen und kümmerte sich um Waisenkinder.

Die große Armut habe sie bewegt. "Man nannte mich 'Mutter Theresa von Kundus'". Gleichzeitig war die Gefahr allgegenwärtig. Es gab Gefechte und Angriffe der Taliban auf Bundeswehrcamps.

"Wie ein kleines Erdbeben" habe es sich der Einschlag einer Rakete in ihrer Nähe in einem Feldlager angefühlt, erinnert sie sich. "Da gehen Sie in die Knie." Mit anderen Kameraden habe man ein nettes Gespräch geführt und wenig später erfahren, dass sie nicht mehr leben. "Das war schlimm, die eigenen Leute im Gefecht und Sie können nichts machen." Ihr Ehemann nickt. Seine Frau habe das öfter erlebt. "So etwas verändert den Menschen im Kopf", sagt er.

Das war schlimm, die eigenen Leute im Gefecht und Sie können nichts machen.

Christore ViehwegerEhemalige Bundeswehrmitarbeiterin in Afghanistan

Mit bis zu 1.300 Soldatinnen und Soldaten beteiligte sich die Bundeswehr nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA an einem Einsatz von NATO-Armeen und Partnerländern in Afghanistan. 2021 endete der Einsatz nach dem Abzug der US-Truppen. (Archivbild)Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa/Pool | Kay Nietfeld

In den Amtsstuben fehlt die Empathie

60 tote Bundeswehrsoldaten gab es am Hindukusch. "Es gab kaum psychologische Unterstützung", so die Sächsin leise. Mit den Kriegsbildern aus der Ukraine sei die Angst wieder hochgekommen. Einen erneuten Klinikaufenthalt habe ein Bundesamt abgelehnt. "Ein Parlament hat uns dahin geschickt, übernimmt aber nicht die Folgen dieser Mandate. Und ich muss mich rechtfertigen, dass es mir schlecht geht."

Christores Mann, ein früherer NVA- und Bundeswehr-Offizier, kritisierte die seiner Ansicht nach fehlende Empathie in den Amtsstuben. Er warnte vor möglichen Folgen wie Suiziden - 26 habe es im letzten Jahr gegeben - und vor Gewalttaten von Soldaten, die sich im Nachhinein als Folgen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) herausstellen würden.

Kampf zurück ins Leben

Auch David Hallbauer musste sich abseits der Schlachtfelder sein normales Leben erkämpfen. Als Gebirgsjäger war der Sachse früher in Schneeberg stationiert. Von einem Auslandseinsatz im Kosovo kehrte der heute 48-Jährige Stabsfeldwebel bei der Bundeswehr in Frankenberg traumatisiert zurück. Das habe massive Einschränkungen im Alltag bedeutet, sagt der Familienvater aus Waldenburg MDR SACHSEN. "Man kann nicht Einkaufen gehen, nicht Bus fahren, man schläft schlecht."

Man kann nicht Einkaufen gehen, nicht Bus fahren, man schläft schlecht und fühlt sich schlapp im Alltag.

David HallbauerStellvertretender Bundesvorsitzender Bund Deutscher Einsatzveteranen e.V.

Für Hallbauers Ehefrau Franziska ist es mittlerweile zur Normalität geworden, ihrem Mann zu helfen oder Dinge zu übernehmen, wenn er sich nicht gut fühlt. "Dann unternehme ich auch etwas zu dritt mit den Kindern, ohne ihn."

Dunkelziffer bei Zahl der Betroffenen

Christore Viehweger und David Hallbauer sind keine Einzelschicksale. Anna Hentsch zufolge kann die Anzahl der Betroffenen nur geschätzt werden. "Es gibt eine hohe Dunkelziffer", so die frühere OP-Schwester, die für den Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr im Kosovo und in Afghanistan diente. Als Sozialarbeiterin organisiert sie nun die Hilfsangebote für Traumatisierte im Bund Deutscher Einsatzveteranen (BDV e.V.). "Der Bedarf ist immens hoch", stellt sie fest.

Der Bedarf ist immens hoch.

Anna HentschFrühere OP-Schwester Zentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr

Psychologin bringt Traumatisierte zurück ins soziale Netz

Die Neuropsychologin und Psychotherapeutin Catrin Schöne behandelt seit mehreren Jahren traumatisierte Soldaten. Als "die Frau, die mir das Leben gerettet hat", stellt sie ein Veteran vor. "Ohne militärische Kenntnis kann man kaum Soldaten behandeln", ist eine ihrer Erfahrungen. Der erste Schritt sei es, die Soldaten wieder an soziale Netzwerke anzubinden. Viele Menschen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung und deren Begleiterscheinungen wie etwa Depressionen hätten sich zurückgezogen.

Ohne militärische Kenntnis kann man kaum Soldaten behandeln.

Catrin SchönePsychotherapeutin

Schöne zufolge gibt es für traumatisierte Soldatinnen und Soldaten seit Anfang 2025 mehr finanzielle Hilfe aufgrund des neuen Soldatenentschädigungsgesetzes. Doch sei die medizinische Anerkennung von gesundheitlichen Schäden für Betroffene häufig ein langer und belastender Prozess. Sie berate Berufskollegen im Umgang damit: "Kein Soldat hat es verdient, auf seinen posttraumatischen Belastungen ein Leben lang sitzen zu bleiben."

Laut Hallbauer ist das vielfach ein langer Weg: "Ich kenne niemanden, der wirklich wieder gesund geworden ist." Die meisten Betroffenen leben demnach mit den einsatzbedingten Traumen und lernen in der Therapie, wie man damit lebt. "Es geht bergauf und bergab."

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