• Die Zahl der Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit abgewendet haben, ist von 2014 auf 2023 bundesweit um 60 Prozent gesunken.
  • Auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt wurden weniger Hafttage durch gemeinnützige Arbeit abgegolten, der Trend ist hier jedoch weniger linear.
  • Dem Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung Sachsen-Anhalt e.V. zufolge ist ein großes Problem, dass es an Arbeitsstellen für die Verurteilten fehlt.

Wer zu einer Geldstrafe verurteilt wird, diese aber nicht zahlen kann oder will, bekommt eine sogenannte "Ersatzfreiheitsstrafe". Mit einem Tag im Gefängnis werden zwei Tagessätze abgegolten. Die Sinnhaftigkeit dieser Praxis steht schon lange in der Kritik – weil sie vor allem arme Menschen trifft, weil sie viel Steuergeld kostet, weil sie die Situation der Betroffenen oft noch verschlimmert.

Es gibt aber einen Weg, Ersatzfreiheitsstrafen abzuwenden: Die verurteilte Person kann einen Antrag darauf stellen, ihre Geldbuße über gemeinnützige Arbeit abzuleisten. Es liegt bei der jeweiligen Staatsanwaltschaft, ob diesem stattgegeben wird. Je nach Bundesland wird ein Tagessatz mit vier bis sechs Stunden gemeinnütziger Tätigkeit abgegolten. "Schwitzen statt Sitzen" heißt das im Volksmund. Doch von dieser Option wird bundesweit seit Jahren immer weniger Gebrauch gemacht.

2014 haben 35.441 Menschen in Deutschland eine Ersatzfreiheitsstrafe durch Arbeiten für das Gemeinwohl abgewendet. 2023 waren es nur noch 12.401 Menschen – also ein Rückgang um etwa 66 Prozent. Das zeigt der aktuelle Statistische Bericht der Staatsanwaltschaften. Man könnte spekulieren, dass dieser Rückgang daran liegt, dass weniger Menschen von Ersatzfreiheitsstrafen betroffen waren. Doch die Statistik zeigt hier nur einen vergleichsweise geringen Rückgang: 15 Prozent von 2014 zu 2023.

Ersatzfreiheitsstrafen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist das Bild weniger klar, wie Zahlen der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg und des sächsischen Justizministeriums zeigen. Die Anzahl der Hafttage, die durch gemeinnützige Arbeit eingespart wurden, ist zwar von 2020 auf 2024 in Sachsen und Sachsen-Anhalt deutlich zurückgegangen – in Sachsen um fünf und in Sachsen-Anhalt um 17 Prozent – dies ist jedoch kein linearer Trend, da sich in den Jahren dazwischen Ausschläge nach oben zeigen. Zudem fehlen teils einheitliche Erhebungen zur Zahl der verurteilten Personen, in deren Fall eine Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wurde.

Nach Angaben des Thüringer Justizministeriums auf eine frühere MDR-Anfrage hin leisteten in Thüringen 2024 nur 163 Personen gemeinnützige Arbeit, anstatt eine Ersatzfreiheitsstrafe abzusitzen. Dabei verhängten die Thüringer Staatsanwaltschaften Ersatzfreiheitsstrafen in 3.334 Fällen.

Gemeinnützige Arbeit: Es fehlt an Arbeitsstellen

Jennifer Schmidt vom Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung Sachsen-Anhalt e.V. (LKR) erklärte gegenüber MDR AKTUELL, es fehle vor allem an Arbeitsstellen für die Personen, die eine Geldstrafe abarbeiten wollen. "Es wird immer schwieriger, die Leute zu vermitteln." Das liege auch daran, dass es den Einsatzstellen an Personal fehle.

Vereine, Ausbildungsstätten – die wollen oft nichts mit diesen Menschen machen.

Jennifer SchmidtLKR e.V.

"Leute zu bekommen, die gemeinnützige Arbeit leisten, würde zwar bedeuten, Unterstützung zu bekommen – aber gleichzeitig brauchen die Leute auch viel Anleitung bei der Arbeit", sagt Schmidt. Menschen, die ihre Geldstrafe nicht zahlen können, lebten meist in prekären Situationen, seien es oft nicht gewöhnt regelmäßig zu arbeiten, hätten oft auch Suchtprobleme. Man müsse sich Zeit nehmen, sich auch um ihre Nöte kümmern und das sei für viele nicht zu leisten.

Andrea Elflein, Geschäftsleiterin der Straffälligenhilfe in Thüringen, hat eine ähnliche Erklärung. Sie sagte MDR Thüringen, einige Verurteilte hätten Schwierigkeiten, einem geregelten Alltag zu folgen und schafften es nicht, pünktlich und mehrere Stunden bei der Einsatzstelle zu sein. Wohnungslose Personen wiederum würden gerade im Winter die Haft vorziehen, um der Kälte im Freien zu entkommen.

Klaus Tewes, Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg, sagte auf Anfrage von MDR AKTUELL, er gehe davon aus, dass der Anreiz, sich für die Ersatzfreiheitsstrafe zu entscheiden, gestiegen sei, weil der Gesetzgeber die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafen im letzten Jahr halbiert hat. Jennifer Schmidt vom LKR hält dagegen, dass die Regelung zu kurz bestünde, um verlässliche Aussagen zu ihrer Wirkung zu treffen. In ihrem Verband beobachte man aber aktuell keinen entsprechenden Effekt.

Schmidt beobachtet auch, dass Stigmatisierung eine zunehmende Rolle spiele. "Vereine, Ausbildungsstätten – die wollen oft nichts mit diesen Menschen machen."

MDR (ewi)

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