Gespaltener Blick auf geplantes Primärarztsystem
- Erst Hausarzt, dann erst Facharzt? — Das geplante Primärarztsystem überzeugt im MDRfragt-Meinungsbild nur bedingt.
- Die medizinische Versorgung in der eigenen Region gilt mehrheitlich als gut, jedoch eher in der Stadt als auf dem Land.
- Ärztemangel, aber die Kosten explodieren: Die MDRfragt-Gemeinschaft findet viele aktuelle Vorschläge zur Finanzierung des Gesundheitswesens nicht gut.
Sollten CDU, CSU und SPD wie geplant die nächste Regierung stellen, dann wollen sie ein sogenanntes Primärarztsystem einführen, auch um Kosten zu sparen. Das hieße: In der Regel müssen Patientinnen und Patienten mit Beschwerden und gesundheitlichen Problemen immer zuerst zur Hausarzt-Praxis und dort wird entschieden, ob das ein Fall für einen Facharzt oder eine Fachärztin wird.
Im aktuellen MDRfragt-Stimmungsbild sorgt diese Idee für gemischte Gefühle: Knapp die Hälfte der Befragten (51 Prozent) ist eher für ein solches Primärarztsystem, nur geringfügig weniger Befragte (44 Prozent) sind eher dagegen.

Zudem blicken jüngere Befragte deutlich anders auf den Immer-erstmal-zum-Hausarzt-Vorschlag als ältere Befragte. So lehnen die Unter-30-Jährigen das Primärarztsystem mehrheitlich ab. Erst bei den Befragten ab 50 Jahren sind die Befürworter knapp in der Mehrheit, wie die folgende Grafik verdeutlicht:

Doch welche Vorbehalte haben die jüngeren MDRfragt-Mitglieder gegen das Primärarztsystem?
Durchaus einen Vorbehalt, der mit dem Ärztinnen- und Ärztemangel vielerorts zusammenhängt. So meint ein Befragter (19) aus Leipzig: "Ich habe zum Beispiel gerade keinen Hausarzt, weil viele mich nicht aufnehmen. Wenn ich dann zum Beispiel Ohrenschmerzen habe, kann ich nicht einfach ohne Überweisung zum HNO-Arzt gehen."
Und Luise (28) aus dem Landkreis Görlitz hält die Idee auch aus anderen Gründen für wenig hilfreich: "Eine generelle Überweisungspflicht finde ich unpraktikabel. Damit wird noch mehr bei den Hausärzten abgeladen, wobei die Praxen jetzt schon am Limit sind und man lange Wartenzeiten in Kauf nehmen muss." Für sie persönlich würde das Primärarztsystem auch weitere Wege bedeuten, schreibt Luise weiter: "Die nächsten Praxen schließen in absehbarer Zeit, weil keine Nachfolger gefunden werden."
Manche Befragte finden, das Primärarztsystem könnte sinnvoll sein, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. So schreibt Frida (24) aus Jena: "Ich finde es für einen Ersttermin okay, wenn es nur über den Hausarzt geht, aber sich für alle weiteren Termine, welche man direkt vom Facharzt bekommt, immer wieder Überweisungen holen zu müssen, ist echt unnötig."
Und Stefan (27) aus Halle sieht es so: "Das kann man machen, dann muss aber die Erreichbarkeit und zeitnahe Terminvergabe bei Haus- und Fachärzten gesichert sein. So eine Maßnahme muss für Patienten eine verbesserte Versorgung bringen. Es sollte auch die Option geben, die Überweisung telefonisch oder nach einer Video-Sprechstunde zu erhalten."
Befragte aus ländlichem Raum kritisieren Idee als unpraktisch
Gerade auch aus ländlichen Regionen kritisieren viele Befragte das Primärarztsystem aus ganz alltagspraktischen Gründen. So meint etwa MDRfragt-Mitglied Ulrike (48) aus dem Landkreis Mansfeld-Südharz: "Das finde ich unzumutbar, da man gerade auch dem Land auch Fahrtwege zu den Hausärzten hat. Soll ein Berufstätiger dann freinehmen, um eine Überweisung zu erhalten und dann noch einmal für einen Facharzttermin?"
Maja (48) aus dem Erzgebirgskreis meint: "Als Dauerpatientin bei meinen Fachärzten, es ist für mich mit Zeit und Fahrweg zu meinem Hausarzt verbunden. Schließlich blockiere ich den Patientenfluss beim Hausarzt, der selbst schon überlastet ist, mit der unnützen Mehrarbeit. Sein Personal ist gestresst von dieser Bürokratie."
Barbara (67) aus dem Altenburger Land argumentiert: "Überweisungen vom Hausarzt treiben die Kosten der Kassen weiter in die Höhe. Jeder Arztbesuch, auch nur um eine Überweisung ausstellen zu lassen, wird ja abgerechnet."
MDRfragt-Mitglied Kerstin (62) aus Gera ist nicht die Einzige, die befürchtet, dass nicht nur die Hausarzt-Praxen durch das System überlastet werden: "Das ist nichts Neues, deswegen gibt es doch nicht mehr Arzttermine beim Facharzt. Das verstopft meines Erachtens nur die Notaufnahmen noch mehr."
Und Susanne (48) aus Weimar verweist darauf, dass es das Prinzip "erst zum Hausarzt, dann zum Facharzt" mit der sogenannten Praxisgebühr schon einmal gab: "Es gibt Regionen, wo es schwierig ist, überhaupt einen Hausarzt zu finden. Wenn die dann auch noch mit mehr Bürokratie belastet werden, finde ich das schwierig. Das System gab es schon mal und das wurde aus gutem Grund wieder abgeschafft."
Warum Befragte für das Primärarztsystem sind
Doch es gibt ja auch nicht gerade wenige Menschen, die sich im MDRfragt-Stimmungsbild für das Primärarztsystem ausgesprochen haben.
Immer wieder schreiben Befragte in den Kommentaren, dass sich für sie persönlich durch eine solche Verpflichtung nichts ändern würde: "Meine erste Ansprechpartnerin ist immer meine Hausärztin", schreibt zum Beispiel MDRfragt-Mitglied Jessica (34) aus Erfurt und erklärt: "Ich fühle mich dort gut aufgehoben und sie kennt meine gesamte Anamnese und Krankheitsgeschichte. Bei Fachärzten muss ich immer wieder von Neuem erzählen, was bei mir los ist." Ähnlich sieht es Claudia (48) aus dem Saalekreis: "Ich gehe immer vorher zum Hausarzt, das ist nicht das Problem. Das Problem ist das Fehlen von niedergelassenen Fachärzten."
Für Gabriele (67) aus dem Vogtlandkreis gilt: "Wenn eine Überweisung des Hausarztes eine deutlich kürzere Wartezeit beim Facharzt zur Folge hat, wäre das ein Fortschritt."
Aus dem Erzgebirgskreis kommt Zuspruch von MDRfragt-Mitglied Claudia (48), die findet: "Eine Steuerung der Patienten ist wichtig und richtig, da heutzutage häufig der Patient selbst entscheidet, welchen Arzt er mit seinen Beschwerden aufsucht. Oftmals werden auch verschiedene Ärzte wegen der gleichen Erkrankung konsultiert."
Allerdings sieht Claudia auch Probleme durch das Primärarztsystem: "Nur was passiert, wenn der Hausarzt den 'Wunsch' des Patienten nicht erfüllt, da die Voraussetzungen für eine Überweisung nicht gegeben sind? Dies wird an der Rezeption oder im Sprechzimmer zu Diskussionen führen, die letztendlich zu Frust bei beiden Seiten führen und somit das Vertrauensverhältnis belasten."
Und Jan (24), ein Medizinstudent aus Halle, ist ganz eindeutig dafür, dass Hausärztinnen und Hausärzte entscheiden, ob und welcher Facharzt eingeschaltet werden muss: "Wissen Sie, was Sie exakt für eine Krankheit haben, wenn Sie krank sind? Ganz klar: nein. Ja, Sie kennen Ihre Beschwerden und Symptome, können das aber nicht in einen Gesamtzusammenhang bringen. Dafür gibt es ja Ihren Hausarzt."
Wie die Politik ihre Pläne erklärt
Der Virologe Hendrick Streeck, der für die CDU in den Bundestag einzog und den Koalitionsvertrag mitverhandelte, nannte das Primärarztsystem im Politico-Interview jüngst als eine Hauptmaßnahme, um das Gesundheitssystem bezahlbar zu halten: "Wir haben einen vollkommen unkontrollierten Zugang zum Gesundheitswesen, was dazu führt, dass wir im europäischen Durchschnitt pro Bürger die meisten Arztbesuche haben." Das Primärarztsystem könne hier zu mehr Effizienz und weniger Arztbesuchen führen, indem "der Hausarzt eigentlich die Hauptfigur wieder im Gesundheitswesen wird".
Streeck verhandelte die Vorhaben für die Gesundheitspolitik für die Unions-Seite mit, ihm gegenüber saß als Chef-Verhandlerin auf SPD-Seite die sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Katja Pähle. Sie ist eine der Gäste bei FAKT IST! aus Magdeburg, wo es um den Ärztemangel und die Pläne der möglichen neuen Bundesregierung für das Gesundheitssystem geht.
Regionale Versorgung gilt als mehrheitlich gut
Im MDRfragt-Stimmungsbild ging es auch um die Frage, wie gut sich die rund 22.000 Befragten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in ihrer Region medizinisch versorgt fühlen. Das Ergebnis: Ein Großteil schätzt ein, dass die medizinische Versorgung in der eigenen Region eher gut ist (62 Prozent).
Im Vergleich zum Vorjahr, als die MDRfragt-Gemeinschaft diese Einschätzung schon einmal abgegeben hat, ist der Anteil damit eher konstant. Im Vier-Jahres-Vergleich zeigt sich hingegen: Der Anteil der Befragten, die der medizinischen Versorgung in der Region eher ein gutes Zeugnis ausstellen, sinkt tendenziell.

Und wenn diese Frage nach Bundesland ausgewertet wird: In Sachsen fühlen sich tendenziell mehr Menschen eher gut oder gut medizinisch versorgt (66 Prozent) als Befragte in Thüringen (58 Prozent) oder Sachsen-Anhalt (56 Prozent). Dieses und weitere regionale Meinungsbilder sowie eine Übersicht mit allen Ergebnissen zu diesem Thema finden Sie am Ende des Artikels zum Herunterladen und Nachlesen.
Dass die medizinische Versorgung in Sachsen-Anhalt besser sein könnte, legen auch Recherchen des MDR Data-Teams nahe. Demnach sind aktuell rund 240 Haus- und Facharztstellen unbesetzt, binnen fünf Jahren soll sich diese Zahl Prognosen zufolge mehr als verdoppeln. Der Grund: Aktuelle Berechnungen besagen, dass deutlich mehr Ärztinnen und Ärzte in Sachsen-Anhalt in Rente gehen als neue dazukommen.
In der MDRfragt-Gemeinschaft sind auch praktizierende Ärztinnen und Ärzte, die das Problem des Kollegenmangels und der damit verbundenen Widrigkeiten für Patientinnen und Patienten ausführlich kommentieren.
Wie Ärztinnen und Ärzte die Situation sehen
Darunter ist eine Ärztin (40) aus Sachsen-Anhalt, die schreibt: "Ich bin Fachärztin in einer Einzelpraxis in einer Kleinstadt. Ich würde gern mehr Patienten behandeln, da es keine anderen Ärzte meiner Fachrichtung in der Stadt gibt und der Bedarf in einer älteren Bevölkerung riesig ist." Sie verweist auf ein Problem, das den Ärztemangel verschärft: Die Kassenärztliche Vereinigung schreibe ihr vor, wie viele Patientinnen und Patienten sie pro Quartal behandeln dürfe oder solle. Diese Deckelung führe "dazu, dass man immer öfter sagen muss, dass wir niemanden mehr nehmen können. Ich würde gerne noch eine medizinische Fachangestellte einstellen, mehr arbeiten, auch mehr verdienen, da ich noch recht jung bin und für die Praxis Kredite abzubezahlen habe".
Doch diese Option sei doppelt begrenzt, schreibt die 40-Jährige weiter, denn die Kassenärztliche Vereinigung in Sachsen-Anhalt könne an Ärztinnen und Ärzte nur auszahlen, was über Beiträge der Versicherten reinkomme. Wegen niedrigeren Lohnniveaus und vergleichsweise geringeren Altersrenten sei das weniger als in anderen Bundesländern.
Sagen wir mal, die Ärzteschaft steht kurz vor dem Burnout – inklusive ihrer Mitarbeiterinnen.
"Um laufende Kosten bezahlen zu können, reicht das Geld von der Kassenärztlichen Vereinigung gerade so. Damit bleibt uns Ärzten nur der Weg über Privatpatienten, Selbstzahler und individuelle Gesundheitsleitgungen, um wirtschaftlich gut arbeiten zu können."
Stimmen zur medizinischen Versorgung aus Sachsen
Versorgung ist gut oder eher gut finden...:
- Ein MDRfragt-Mitglied (19) aus Leipzig: "Es gibt schon genug verschiedene Ärzte, aber es ist schwierig einen neuen zu finden, beziehungsweise einen schnellen Termin zu kriegen."
- Rita (73) aus Chemnitz: "Hausarzt, Urologe und weitere Fachärzte in der Nähe. Einige werden in Kürze in den Ruhestand gehen. Wie es weiter geht, weiß ich nicht."
- Heike (63) aus Mittelsachsen: "Hausarzt, Zahnarzt, Chirurg, Orthopäde, Gynäkologe Hals-Nasen-Ohrenarzt und ein gut aufgestelltes Krankenhaus mit Notaufnahme, Röntgen, CT, MRT, alles in Freiberg vorhanden. Termine relativ kurzfristig möglich."
- Lara (21) aus Mittelsachsen: "Mehrere Ärzte in der Nähe und ein Krankenhaus. Auch nach Umzug schnell als neue Patientin aufgenommen worden."
Die Versorgung ist eher schlecht oder schlecht finden...:
- Sarah (34) aus Dresden: Eine Kinderarztpraxis wurde geschlossen, weil kein Nachfolger gefunden werden konnte. Unsere Kinderärztin musste nun die 'übrigen' Patienten aufnehmen und war vorher bereits übervoll. Wartezeiten von fast zwei Stunden mit krankem Kind auf dem Gang sind normal."
- Daniel (40) Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: "Man sollte sich zum Beispiel eine sogenannte Zweimeinung einholen. Wo? Bei wem? Man bekommt doch keine Termine. Mittlerweile sind ja schon Allgemeinärzte (Hausärzte) nicht mehr bereit, noch Neupatienten aufzunehmen, da sie völlig überlastet sind, von Fachärzten ganz zu schweigen. Telefonische Erreichbarkeit von Arztpraxen ist zum Teil schon schwer gewordn, es wird einfach nicht mehr ans Telefon gegangen."
- Christiane (40) aus dem Landkreis Görlitz: "Im Januar schloss die Kinderarztpraxis meiner Kinder. Akut könne ich mich bei allen Praxen vorstellen. Aber was ist mit Impfterminen? Überall bemängelt man die Impfquote. Aber ich finde niemanden, der meine Kinder impft. Von Zittau nach Löbau niemand. Immer solle ich 'mal woanders' horchen."
- Eine Oberärztin (48) aus Leipzig: "Das System setzt völlig falsche Anreize. Die Arbeitsbedingungen sind unerträglich. Es gibt kaum noch jemanden, der das erträgt. Kostendruck, Personalmangel, Pseudomarktwirtschaft, ökonomisches Diktat über medizinisches Wissen und Ethik/Vernunft."
- Heidrun (67) aus dem Landkreis Görlitz: "Zu wenig Arztpraxen! Ich muss eine halbe Stunde mit dem Auto zum Hausarzt (mit dem Nahverkehr eineinhalb Stunden), Hausbesuche wurden abgelehnt. Meine langjährige Hausärztin ist, ohne Nachfolger gefunden zu haben, in Rente und in der Nähe nimmt niemand Patienten auf. Fachärzte sind teilweise noch weiter entfernt. Mir graut davor, wirklich krank zu werden, oder aber älter und nicht mehr Auto fahren zu können."
Meinungen zur medizinischen Versorgung in Sachsen-Anhalt
Die Versorgung ist gut oder eher gut finden...:
- Beate (40) aus Magdeburg: "Momentan sind noch viele Fachrichtungen gut aufgestellt, aber es gehen jetzt relativ zeitnah viele Kollegen in den Ruhestand und finden keine Nachfolger, sodass es sich deutlich verschlechtern wird. In einigen Bereichen – Hautärzte, Zahnärzte, Kinderärzte – gibt es aber jetzt schon deutlichen Mangel."
- René (31) aus dem Salzlandkreis: "Dadurch, dass ich in Schönebeck wohne, bin ich mit einer ärztlichen Versorgung in Magdeburg und Schönebeck gut versorgt. Wenn ich in ländlicheren Regionen der Altmark und Salzlandkreis schauen sieht es schlechter aus."
- Ida (30) aus dem Burgenlandkreis: "Ich habe in meiner Stadt (Naumburg) meinen guten Hausarzt, eine tolle Zahnärztin, eine kompetente Hautärztin, einen erfahrenen Frauenarzt und ca. 1h entfernt eine super gute große Klinik (Jena Uniklinik)."
Die Versorgung ist schlecht oder eher schlecht finden:
- Janine (26) aus Halle: "Man bekommt keinen Hausarzt, Fachärzte sind erst in den nächsten großen Städten erreichbar. Immer mehr Leistungen müssen aus eigener Tasche bezahlt werden, oder die Ärzte schwatzen das einem auf. Es geht immer mehr um Profitmacherei, eher weniger um die Gesundheit des Menschen."
- Michael (62) aus dem Salzlandkreis: "Ich habe Glück, in Güsten einen Hausarzt zu haben. Er hat mittlerweile zwei Ärzte in sein Team geholt, weil der Ansturm nicht mehr zu bewältigen war. An den Kennzeichen der vor der Praxis parkenden Autos kann ich sehen, welchen Anfahrtsweg viele Patienten auf sich nehmen müssen, da in ihrer Region kein Hausarzt mehr niedergelassen ist, beziehungsweise nach anderen Praxisschließungen keine neuen Patienten mehr aufnimmt."
- Heiderose (76) aus dem Landkreis Börde: "Bei Terminen immer in Warteschleifen, keiner nimmt mehr das Telefon ab. Man verbringt Stunden und Tage am Telefon, ohne Erfolg . Erreicht man irgendwann jemanden, wird man angepatzt, dass Termine für das nächste Quartal alle vergeben sind. Also bekomme ich schon im März 2025 keinen Termin zur Darmspiegelung im ganzen Jahr. So geht das bei fast allen Fachärzten. Einfach unfassbar."
Kommentare zur medizinischen Versorgung in Thüringen
Die Versorgung ist gut oder eher gut finden...:
- Kerstin (63) aus dem Landkreis Greiz: "Ich habe alles schon in Anspruch nehmen müssen und es hat grundsätzlich auch gut funktioniert."
- Guido (50) aus dem Landkreis Gotha: "Ich bekomme Termine, muss dafür aber teilweise weit fahren und lange warten."
- Jessica (34) aus Erfurt: "Bisher habe ich immer die Facharzttermine erhalten, die ich brauchte. Schwieriger finde ich es allerdings, einen geeigneten Psychotherapieplatz in der Nähe zu erhalten."
Die Versorgung ist schlecht oder eher schlecht finden...:
- Leonie (20) aus Erfurt: "Man bekommt sehr schlecht Termine und wenn man einen bekommt, wird man so schnell wie möglich abgefertigt."
- Christian (34) aus dem Saale-Orla-Kreis: "In der ländlichen Region, in der ich lebe, ist die Grundversorgung schon vorhanden. Allerdings: Sobald es um Fachärzte geht, muss man schon mal 50 Kilometer Anfahrt in Kauf nehmen.
- Peggy (48) aus dem Kyffhäuserkreis: "Meine Hausärztin ist ein wahrer Segen und wenn ich mir frei nehme, oder nacharbeite, auch erreichbar für mich. Notaufnahme, Rettungsdienst oder gar kein Krankenhaus? Bis ich da mal vielleicht ankomme, bin ich vielleicht schon verstorben oder trage deutlich mehr Folgen davon."
Für eine niedergelassene Ärztin aus Magdeburg stellt sich die Situation so dar: "Sagen wir mal, die Ärzteschaft steht kurz vor dem Burnout – inklusive ihrer Mitarbeiterinnen. Die Praxen sind voll, das heißt, alle Ressourcen sind verbraucht und wir können partout keine neuen Patienten aufnehmen." Sie verweist darauf, dass der Ärztemangel jetzt schon viel Druck auslöst, weil viele Menschen ja noch eine Arztpraxis suchen, zu der sie gehen können: "Das ist Stress pur für Rezeptionshelferinnen, da diese oft verbal angegriffen werden."
Die 62-jährige Ärztin appelliert, immer daran zu denken, dass die Beschäftigten in den Praxen und die Ärzteschaft diese frustrierende Mangel-Situation nicht erzeugt hätten, sondern dass das an politischen Weichenstellungen liege. "Das Problem ist schon seit Langem bekannt und wird sich noch verschärfen, in den nächsten Jahren, wenn die Boomer-Generation unter den Ärzten in die wohlverdiente Rente geht."
Stadtbevölkerung zufriedener als Befragte aus dem ländlichen Raum
Bereits jetzt zeigt sich: Wie gut die Bewertung der medizinischen Versorgung ausfällt, hängt auch von der Region ab, in der die Befragten leben: Wer städtisch wohnt, bewertet die aktuelle Situation deutlich positiver als MDRfragt-Mitglieder, die aus dem ländlichen Raum kommen.

Fehlende Ärzte, aber explodierende Kosten: Was tun?
Das deutsche Gesundheitssystem gilt im internationalen Vergleich nicht nur als gut, sondern auch als kostenintensiv. Tendenz steigend. Erst zu Jahresbeginn hoben viele gesetzliche Krankenkassen den Zusatzbeitrag an, auch private Krankenversicherungen legten zum Jahreswechsel bei vielen Versicherten nach eigenen Angaben die höheren Kosten auch auf die Beiträge um. Bei den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD war daher auch Thema, wie der Kostenanstieg gedämpft werden kann, auch von Interessenvertretungen aus dem Gesundheitssystem kamen Vorschläge.
Einige der viel diskutierten Ideen wurden der MDRfragt-Gemeinschaft vorgelegt. Doch wie das in der Politik mitunter so ist: So richtig gefiel den Befragten keine der Optionen.
Am ehesten konnte noch die Option überzeugen, das Gesundheitssystem durch höhere Steuerzuschüsse zu stabilisieren. Das hält fast jede und jeder Dritte im MDRfragt-Stimmungsbild für eine akzeptable Idee. Die Idee, dass Versicherte für bestimmte Operationen zuzahlen müssten, traf ebenso kaum auf Zuspruch wie der Vorschlag, ab einem gewissen Alter ausgewählte Operationen nicht mehr zu finanzieren. Das findet jeweils ein Zehntel der Befragten überlegenswert. Damit sind diese unbeliebten Optionen immer noch doppelt so häufig präferiert als jene, die Krankenkassen-Beiträge weiter steigen zu lassen.
Doch mit Abstand am häufigsten konnten sich die Befragten für keine der genannten Optionen begeistern: Knapp zwei Fünftel wählten daher die Antwort "nichts davon".

Auch zur Finanzierung des Gesundheitssystems haben sich viele MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren zu Wort gemeldet.
Der Kommentar von Nina (22) aus Dresden fasst den Unmut zu mehreren der aktuell diskutierten Vorschläge so zusammen: "Die Beiträge sind schon massivst hoch und decken kaum die eigene Behandlung ab. Menschen, die älter sind, haben ihren Beitrag in der Gesellschaft geleistet: Die haben Steuern bezahlt und waren arbeiten. Sie haben ihre Beiträge regelmäßig bezahlt. Warum sollte so jemand nicht dann vom Krankensystem profitieren, wenn er es wirklich braucht? Solche Vorschläge machen mich wütend und gehen völlig an den Werten Deutschlands vorbei."
Medizinische Versorgung darf keine Frage des Alters oder Geldbeutels sein.
Auch Jörg (59) aus dem Salzlandkreis stößt sich daran, wenn medizinische Leistungen nur gegen Zuzahlung oder bis zu einem gewissen Alter verfügbar wären: Diese Vorschläge "widersprechen dem Solidaritätsprinzip unseres Gesundheitssystems. Medizinische Versorgung darf keine Frage des Alters oder Geldbeutels sein."
Luise (27) aus dem Landkreis Görlitz hält den Vorschlag, dass bestimmte Operationen nur noch gegen Zuzahlungen möglich sind, für besonders verwerflich. Damit schaffe man "eine noch stärkere Zwei-Klassen-Medizin, als sie heute schon existiert. Will man einen Kredit aufnehmen, weil man eine neue Hüfte braucht?"
Katharina (38) gehört zu jenen, der kein aktueller Vorschlag gefällt. Die Leipzigerin schreibt dazu: An allen Ecken wird diskutiert, wer mehr zahlen muss. Stattdessen sollte diskutiert werden, wie man Kosten senkt. Und im medizinischen Bereich muss man das bei den Medikamenten tun. Alle Krankenkassen an einen Tisch und mit Pharma-Unternehmen Preise neu verhandeln. Man muss nur mal im Ausland ein Schmerzmittel kaufen, um zu verstehen, dass es auch anders geht."
Für Monique (38) aus dem Ilm-Kreis liegt der Fokus nicht auf den richtigen Maßnahmen: "Unser System ist komplett darauf ausgerichtet, immer erst dann zu agieren, wenn Krankheiten bereits ausgebrochen sind. Es wird viel zu wenig für Prävention getan und viel zu schlecht aufgeklärt. Es sollte ein stärkeres Belohnungssystem für einen gesunden Lebensstil geben."
Und einer der allerhäufigsten Argumente dafür, auf andere Maßnahmen zu setzen als jene, die gerade diskutiert werden, kommt unter anderem von Dirk (56) aus dem Landkreis Leipzig: "Wir zahlen schon viel zu viel in die Krankenkasse ein, also sollten alle einzahlen, Selbstständige, Beamte, einfach alle. Dann sollten die Krankenversicherungen ihre Bürokratie abbauen."
Über diese Befragung
Die Befragung: "Wartezeiten, Personalmangel und hohe Kosten: Können wir uns Kranksein noch leisten?" lief vom 4. bis 7. April 2025. Insgesamt haben 21.600 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mitgemacht.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.
Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach bewährten wissenschaftlichen Kriterien und Methoden anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen.
Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke