Scheitern in der Hauptstadt – Herthas immenser Trainer-Verschleiß
Am Sonntag, um 19.50 Uhr, machte es Hertha BSC offiziell: Trainer Cristian Fiél (44) ist entlassen. Er ist der achte Chef-Coach, der seit 2019 scheiterte, Pal Dardai (48) sogar zweimal. Seitdem die Investoren Lars Windhorst (48) und 777 fast eine halbe Milliarde Euro in den Verein pumpten, vergriffen sich die Verantwortlichen immer wieder bei der Auswahl der Trainer. Das kostete die Bundesliga, Millionen-Gehälter und -Abfindungen sowie eine erfolgreiche Entwicklung. Ein Rückblick.
Ante Covic, 1. Juli bis 27. November 2019 (Schnitt: 1,21 Punkte): Als die Berliner den Investor-Einstieg absehen konnten, sollte eigentlich ein großer Trainer kommen. Windhorst träumte von José Mourinho (62). Doch Manager Michael Preetz (57) setzte auf Covic (49) aus der eigenen Jugend. Die Aufgabe war viel zu groß. Statt Autorität gab es Kumpeleien mit Spielern und Stress mit Stars wie Salomon Kalou (39). Dabei erhielt Covic keine Unterstützung der Bosse.
Jürgen Klinsmann, 27. November 2019 bis 11. Februar 2020 (1,2 Punkte): Der Ex-Nationaltrainer (60) wurde mithilfe von Windhorst, dessen Berater er zuvor gewesen war, ins Trainer-Amt gehievt. Vom ersten Tag an ignorierte Klinsmann bestehende Strukturen und handelnde Personen bis hin zu Präsident Werner Gegenbauer (74). Der Wunsch nach neuen, teuren Spielern wurde Klinsmann noch erfüllt, im Winter 2020 gab er knapp 80 Mio. Euro aus. Doch an der Forderung nach einem langfristigen Vertrag mit weitreichenden Befugnissen zerrüttete das ohnehin schlechte Verhältnis. Klinsmann schmiss spontan hin, schrieb eine bitterböse Abrechnung.
Bruno Labbadia, 9. April 2020 bis 24. Januar 2021 (1,07 Punkte): Nach einem kurzen Intermezzo mit Alexander Nouri (45/ein Sieg in vier Spielen) hielt Labbadia (59) zunächst die Bundesliga. Doch in der Vorbereitung auf die neue Saison rieb er sich mit Preetz bei der Kaderplanung. Der Trainer wollte erfahrene Spieler, der Manager junge und günstigere. Labbadia schaffte es nicht, eine Hierarchie und einen Teamgeist aufzubauen. Nicht nur er flog. Auch Preetz musste gehen.
Pal Dardai, 25. Januar bis 29. November 2021 (1,23 Punkte): Trotz völlig kaputter Mannschaft und Corona-Sperre schaffte der Ungar den Klassenerhalt. Eigentlich wollte Herthas neuer Boss, Fredi Bobic (53), Dardai nicht als Trainer, konnte den Retter, der Heldenstatus erreicht hatte, aber nicht loswerden. Schon als Spieler waren sich die beiden aus dem Weg gegangen. Und so zoffte, intrigierte und ignorierte sich das Duo, bis es nicht mehr ging. Bobic blieb, Dardai musste weichen.
Tayfun Korkut, 29. November 2021 bis 13. März 2022 (0,64 Punkte): Bobic vergriff sich bei der Wahl des zuvor lange vereinslosen Schwaben. Korkut (50) sollte die Mannschaft solide bis zum Saisonende führen, damit der Manager Zeit für die Suche nach einem Top-Trainer bekommt. Problem: Korkut war zu weich für das zersplitterte Team, konnte aus der qualitativ ausgedünnten Truppe noch weniger rausholen als Dardai.
Felix Magath, 14. März bis 30. Juni 2022 (1,11 Punkte): Wie es Magath (71) schaffte, Hertha in der Liga zu halten, weiß bis heute niemand. Ganz viel Glück in der Relegation gegen den HSV, die Aufstellung von Teilzeit-Spielmacher Kevin-Prince Boateng (37) und vielleicht ein bisschen Retter-Aura. Neun Spiele Magaths kosteten rund zwei Millionen Euro Gehalt und Prämie.
Sandro Schwarz, 1. Juli 2022 bis 16. April 2023 (0,76 Punkte): Der Wunschtrainer von Bobic und Liebling des neuen Präsidenten Kay Bernstein (†43) wurde lange gestützt, weil zwar Ergebnisse ausblieben, Arbeit und Charakter aber überzeugten. Doch er wurde auch im Stich gelassen. Bobic baute eine Mannschaft ohne die Fähigkeiten, die Schwarz (46) für sein Spiel brauchte (Tempo und massives Zentrum). Bernstein nahm Schwarz mit der Bobic-Entlassung die letzte Unterstützung im Tagesgeschäft. Erst als Hertha Letzter war, ging Schwarz – auch, weil er selbst einen neuen Impuls empfahl. Die Chancen auf Top-Trainer wie Bernstein-Favorit Sebastian Hoeneß (42) waren durch das lange Zögern passé.
Pal Dardai, 16. April 2023 bis 30. Juni 2024 (1,45 Punkte): Eigentlich sollte Dardai den Job nicht wieder bekommen. Aber kein anderer Trainer hätte den fast sicheren Abstieg betreut. Die Gründe, warum er in der dann auch in der Zweiten Liga bleiben durfte: ein Dankeschön für die Amtsübernahme eines Absteigers, die günstigste Variante und die romantische Vorstellung, mit einem Vereins-Urgestein und dessen drei Söhnen wieder etwas aufzubauen.
Cristian Fiél, 1. Juli 2024 bis 16. Februar 2025 (1,24 Punkte): Für 400.000 Euro Ablöse aus Nürnberg losgeeist, sollte Fiél attraktiven Ballbesitzfußball bringen und Talente fördern. Der Trainer brachte aber die Grüppchen und Egoismen nicht unter Kontrolle. Zudem bekam Fiél nicht den gewünschten Co-Trainer und keinen Nachfolger für Top-Torjäger Haris Tabakovic (30).
Nun soll es Stefan Leitl (47) besser machen. Den Ex-Trainer von Hannover hatte Hertha öfter auf der Liste, bekam ihn aber nie aus seinen Verträgen. Für eine Ablöse von bis zu 200.000 Euro bekommen die Berliner nun die Erfahrung von 204 Zweitliga-Spielen und einem Aufstieg (mit Fürth) sowie stabilem Ballbesitzfußball. Die Aufgabe: schnell die Liga sichern, den Aufbau starten und in der nächsten Saison aufsteigen. Denn sonst bekommt Hertha massive Finanz- und Lizenz-Probleme. Und wohl wieder ein neuer Trainer den Job ...
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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