Christen feiern Ostern, doch es werden immer weniger. Laut Zahlen des ARD-Deutschlandtrends sehen nur noch 29 Prozent der Deutschen Ostern als religiöses Fest. Kirchenvertreter bemühen sich, Mitglieder zu halten.

Eine junge Konfirmandin steht konzentriert vor dem Altar. Jeder Ton, den sie ins Mikro singt, sitzt, ihre Stimme: glasklar. Hinter ihr steht Pfarrer Joachim Gerhardt, spielt Gitarre, dazu andere junge Gemeindemitglieder an Violine und Klavier.

"Wir feiern hier einen Gottesdienst, der ganz anders ist und im modernen Gewand daher kommt. Er ist niederschwellig mit Musik und Texten und packt so hoffentlich die Menschen", sagt Joachim Gerhardt, der Pfarrer der Lutherkirche in Bonn.

Eine moderne Interpretation von Beethoven und Bach statt der Frontalpredigt zu Ostern. "So können wir die Botschaft von Vertrauen und der Auferstehung in unsere Zeit transportieren."

Auch in Bonn spürt er deutlich, dass Menschen der Kirche seit Jahren den Rücken kehren. Aber er kämpft um jedes neue Mitglied. "Bei uns haben sich in diesem Jahr die Kircheneintritte verdoppelt. Inzwischen kommt auf vier Austritte immerhin wieder ein Eintritt. Das ist noch nicht das Ende der Austrittswelle, aber wir erleben einen Trend zurück."

Viele Menschen suchten weiter nach Gemeinschaft, Halt und Hoffnung. Die Kirche überzeuge heute allerdings weniger als Organisation, sagt er, sondern durch ihre Angebote wie Urban Gardening, Kinderkino oder Tanzkurse.

Kirche im Netz

Diese Angebote bewerben Kirchen mehr und mehr im Netz, so auch bei ihm in Bonn. "Wir müssen als Kirche alle Kanäle nutzen, die wir haben, um Menschen zu erreichen. Und Social Media bietet die Chance, ganz viele Menschen direkt anzusprechen. Die Erfahrung zeigt auch, dass wir durch diese Kanäle Menschen motivieren, sich wieder persönlich zu treffen", sagt Pfarrer Joachim Gerhardt.

Auch Tia Pelz ist bei Social Media aktiv. Sie will für eine Kirche stehen, die sich öffnet und wächst. Die junge Pfarrerin aus Nürnberg präsentiert ihren Glauben bei WhatsApp und auf Instagram in ihren Clips.

"Mir ist es wichtig, persönlich vom Glauben zu erzählen. Davon, dass ich gleichzeitig progressiv und fromm sein kann und sogar Liturgie liebe! Ich erzähle von Zweifeln und Hoffnungen", sagt Pelz. Sie will eine Kirche, die weniger predigt und mehr zuhört, um Menschen wieder zu erreichen.

Mit dem Lastenrad kommt sie als "Pop Up Church" in die Stadt, auf Marktplätze und sucht das Gespräch. Die Pfarrerin weiß: Kirche findet heute überall statt - auch auf Instagram und WhatsApp.

"Perfekte Menschen werden vielleicht bewundert, aber nicht im Netz angeschrieben und um Rat gebeten", sagt Pelz. Ihre Clips werden online von mehr als 10.000 Menschen gesehen. Kein Vergleich zur Zahl ihrer klassischen Gottesdienstbesucher. "Ich nehme alle Fragen und Antworten ernst als Suche nach Gott. Ich nehme auch ernst, wenn jemand sagt: Ich kann nicht glauben", sagt Pelz.

Für 30 Euro raus aus der Kirche

Für Christian aus Köln kommen diese Angebote zu spät. Er geht mit seinem Bruder Felix durch das Kölner Amtsgericht und sucht Raum 47. "Das ist doch viel zu viel Geld, was man dem Laden an Steuern zahlt", sagt Christian.

Kirchenaustritte werden hier täglich nach Terminvereinbarung vollzogen. Neben den Brüdern stehen fünf Menschen und warten auf den offiziellen Austritt für 30 Euro. "Wir sind christlich aufgewachsen, aber meine Eltern sind auch schon ausgetreten. Die Institution will ich nicht länger unterstützen."

Immer weniger Deutsche zieht es auf die Kirchenbank.

Damit sind sie auch nach den Zahlen des aktuellen ARD-Deutschlandtrends nicht allein. Immer weniger Deutsche bezeichnen sich als religiös, Religion spielt für weniger als ein Drittel der Menschen in Deutschland eine bedeutende Rolle. Ostern ist für knapp die Hälfte ein Familienfest, für ein Drittel gar einfach ein verlängertes Wochenende.

Das bekommen auch die die beiden großen Kirchen seit Jahren zu spüren, sie verzeichnen einen anhaltend hohen Mitgliederverlust. Aus der katholischen Kirche traten im vergangenen Jahr rund 322.000 Menschen aus, 345.000 Menschen kehrten 2024 der evangelischen Kirche den Rücken.

Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sagt, man dürfe vor diesen Zahlen nicht die Augen verschließen. "Sie fordern uns heraus, neu zu fragen: Für wen sind wir als Kirche da?"

Kirche modernisieren

Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Universität Münster fordert eine Modernisierung der Kirche. "In den digitalen Medien und Orten als Kirchen präsent zu sein, ist ein richtiger Ansatz, weil sich dort viele Menschen in langen Zeitintervallen bewegen", sagt Thomas Schüller. "Kirchen sollten hier präsent sein, frisch in einer ansprechenden, aber nicht banalisierenden Sprache von dem Guten berichten, der ihren Glauben und ihr Leben trägt."

Das sei wichtig wegen des hohen Vertrauensverlusts bei beiden Kirchen. "Ob Missbrauch oder Umgang mit Vermögen: Die Leute verlassen in Scharen die Kirche, weil sie nicht mehr mit Gott rechnen, Gott keine Rolle für ihr Leben mehr spielt. Deutschland ist faktisch wieder ein Missionsland geworden", sagt Thomas Schüller.

Die Austrittszahl betreffe aber nicht nur die Kirche selbst, sagt Schüller. In der Folge könnten auch lieb gewonnene kirchliche Aktivitäten und Einrichtungen leiden: Schulen, Kindertagesstätten, Akademien, soziale Einrichtungen.

Überzeugen durch Aktivitäten

Schüller betont, dass Religion weiter gebraucht werde. Vielmehr unterliege Glaube einem großen Wandel. Diesen Wandel will Pfarrer Joachim Gerhardt aus Bonn mitgestalten. "Ich glaube, Kirche ist weiter gefragt. Nicht als Institution, sondern mit der Botschaft: Glaube, Hoffnung, Liebe. Das brauchen die Menschen, die in diesen Zeiten viel Unsicherheit erfahren", sagt Pfarrer Joachim Gerhardt.

Und wer stifte Gemeinschaft? Das könnten am Ende die Kirchen. "Wir erleben, dass wir weiter sehr gefragt sind mit unserer Gemeinschaft und unseren Aktivitäten", sagt Gerhardt. Wenn die dann gut gemacht würden, dann kämen wieder viele Menschen.

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